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Teil 4 unseres Reiseblogs.

Wir sind maximal erschöpft und ausgelaugt. Hinter uns liegt das Abenteuer Mongolei. Unser Traum wurde Wirklichkeit. Und wollte hart erarbeitet werden. Manchmal haben wir die Mongolei verflucht in diesen Tagen. Wenn nach hunderten Kilometern grottenschlechter Rüttelpiste das Auto zum x-ten Mal aufsetzt, eine Weiterfahrt nur mit eingeschaltetem Untersetzungsgetriebe und eingelegter  Differentialsperre möglich war. Wenn sich wieder einmal  Schrauben durch die Rüttelei selbstständig gelöst haben. Wenn Material mürbe wurde und zerbrach; mit teils schwerwiegenden Folgen. Wenn man wieder einmal versucht, mit bescheidenen Mitteln den Landy am Laufen zu halten, sich die Handgelenke am heißen Motorblock verbrennt und das Gefühl nicht los wird, dass das Auto am Ende der Reise nur noch durch Panzertape, Kabelbinder und Spannbänder zusammengehalten wird. Wenn man vor Erschöpfung und Verzweiflung heulen möchte und sich die Warum-Frage stellt. Und dann sind da diese Augenblicke, am Ende eines solchen 12 bis 14-Stunden-Tages. Man steht irgendwo im Nirgendwo. Es ist still, unfassbar still. Man dreht sich im Kreis und der Blick verliert sich in der Unendlichkeit dieser grenzenlosen Weite. In alle Himmelsrichtungen: bis zum Horizont ist nichts. Aus den unzähligen Löchern im Boden schauen Murmeltiere und Mäuse, über den Köpfen drehen Greifvögel ihre Kreise. Und es wird einem bewusst: in diesem Moment möchte man an keinem anderen Ort dieser Welt sein. Wie unendlich glücklich können wir uns schätzen, diese Augenblicke erleben zu dürfen. Und wieder schlafen wir später erschöpft ein, mit dem Bewusstsein, Dinge erleben zu dürfen, die man kaum in Worte fassen kann.

Doch von Anfang an: der letzte Blogbeitrag endete in Ulaanbaatar. Nachdem wir dem WDR noch ein Skypeinterview geben durften, brechen wir auf in den Süden der Mongolei, in Richtung China. Die Gobi, die drittgrößte Wüste der Welt, ist unser nächstes Ziel. Eine Steppenwüste, überwiegend flach, viel Geröll, im Verhältnis zur Sahara oder Namib nur wenig Sand. Aber, da ist noch die Khongoryn-Els, die „singende Düne“, inmitten des Nichts. Über 80km lang und um die hundert Meter hohe Dünen. Doch zunächst machen wir noch einen Schlenker nach Osten zum größten Reiterstandbild der Welt. Das Denkmal des Dschingis Khan wurde 2008 aus 250 Tonnen Edelstahl errichtet und misst ohne Sockel satte 30 Meter.

Auf den gut 700 Kilometern über Mandalgobi nach Dalandsadgad machen wir auf halber Strecke noch einen Abstecher zu den Granitbergen des Baga Gazaarin Chuluu. Die „kleine“ Schleife auf wilder Wellblechpiste kostet uns mal wieder mehr als einen Tag, beschert uns aber auch einen phantastischen Übernachtungsplatz  inmitten der Formationen. Und abendlichen Besuch von mehreren hundert Ziegen. Zur Freude unseres Benny.

In Dalandsadgad füllen wir unsere Vorräte, insbesondere Diesel, Wasser, Wodka und Bier, nochmal auf.  Die nächste Nacht verbringen wir dann auf freier Fläche kurz vor der Yolin-Am-Schlucht, welche wir am nächsten Morgen durchwandern. Die Geierschlucht inmitten der Gobi wird ihren Namen mehr als gerecht. Unzählige Lämmergeier drehen ihre Kreise über unseren Köpfen. Murmeltiere ärgern Benny. Und uns begeistert eine Gebirgsschlucht, die irgendwie nicht zur Umgebung passen will. Hier, inmitten der Gobi, liegt der Schnee oft noch bis in den Herbst.

Und dann,  endlich, brechen wir auf zur Khongoryn Els. Die beiden Filme von „Herrn Lehmann“ waren Auslöser, diese Reise nun endlich in Angriff zu nehmen. Mein Traumziel ist fast erreicht. Die Spannung steigt. Werden die Erwartungen erfüllt? Zunächst einmal: Ernüchterung. Eine katastrophale Wellblechpiste rüttelt uns über einhundert Kilometer lang durch. Die ständigen Vibrationen lösen Schrauben, die seit 15 Jahren nicht mehr gedreht wurden. Türscharniere fallen ab, wir verlieren die eine oder andere Schraube und die Schutzabdeckung des Dieselfilters. Die Nerven liegen blank, die Stimmung ist auf dem bisherigen Reisetiefpunkt angelangt. Es regnet. Irgendwann am späten Nachmittag erreichen wir dann auf der Nordseite die ersten Ausläufer. Naja. Nach all unseren Wüstenerfahrungen ganz nett. Genervt gönnen wir uns ein Fläschchen Wodka und schlafen ein. Am nächsten Morgen sieht die Welt dann schon anders aus. Ein grandioser Sonnenaufgang, gefolgt von strahlend blauem Himmel. Wir reiten weiter, die Dünen werden größer. Und dann beginnt es, das Abenteuer Khongoryn Els, Wir queren die Dünen von Nord nach Süd. Der Reifendruck wird von 5 auf 1,5 bar gesenkt, die Untersetzung eingeschaltet. Gas geben und los. Was für ein Spaß. Wir schlingern durch den weichen Sand und sind schon bald umringt von hohen Dünen. Inmitten der Dünen steigen wir aus und erklimmen die nächstbeste. Benny tobt im Sand, Marion sonnt sich und ich bin einfach nur glücklich und zufrieden.

Lässt sich dieses Gefühl noch steigern? Na klar. Wir fahren die Südseite entlang weiter gen Westen und finden am frühen Nachmittag einen Platz auf einem Hügel mit grandiosem Blick über die Khongoryn Els (nochmals herzlichen Dank an die „Pistenkuh“). Wir köpfen ein Fläschchen Rotwein, richten uns ein und holen uns den Sonnenbrand unseres Lebens. Dies ist der Moment, für den wir die Strapazen auf uns genommen haben. Was für ein Tag.

Doch die Zeit drängt. Am nächsten Morgen brechen wir zeitig auf. Die ungleich schwierigere Süd-Nord-Querung steht an. Wir fahren einfach hinein. Schon bald gibt es keine Spuren mehr. Häufig steigen wir aus, erklimmen die Dünen vor uns und suchen uns einen Weg. Wir kehren um und versuchen es weiter. Ich liebe das. Was für ein Abenteuer. Welch ein Spaß. Doch irgendwann ist auch das vorbei und auf gewohnt schlechten Pisten geht es retour gen Norden. Das Glücksgefühl tauschen wir mal wieder aus gegen Frust und Ärger. Etwas, was uns auf dieser Reise immer wieder passiert und unausweichlicher Teil eines Abenteuers ist. Plötzlich dann, wie aus dem Nichts, eine nagelneue Teerstraße. Auf keiner Karte verzeichnet. Keine Schilder. Der Kompass aber sagt uns: die Richtung stimmt. Nur noch knapp 350 Kilometer bis Gobi-Altai. Wir düsen mit Vollgas fast einhundert Kilometer über Asphalt. Dann kommt die Vollbremsung und anschließend die Ernüchterung. Knapp 250 Kilometer vor Gobi-Altai endet ohne jegliche Ankündigung die Straße im Nichts. Während die Chinesen die Trasse weiter ausbauen, geht es auf der bisher katastrophalsten Piste noch unendlich weiter. Nach etwa 5 Kilometern stinkt es plötzlich penetrant nach Fisch. Sofort ist mir klar, dass kann nur verdampfende Kühlerflüssigkeit sein. Ein „landroverspezifischer“ Adapter, der aus unerklärlichen Gründen zwei Kühlerschläuche mit unterschiedlichem Durchmesser miteinander verbindet, hat sich zerlegt. Der Kühler läuft leer. Wir stehen bei über 30 Grad im Nichts. Der erste Reparaturversuch bringt uns ganze 3 Kilometer weiter. Mit den vorhandenen Bordmitteln (selbstverschweißendem Isolierband, Panzertape, Rohrschellen) flicke ich abermals das Fiasko, nicht ohne mir die Handgelenke am heißen Motorblock zu verbrennen. Unsere Wasservorräte sind nahezu erschöpft. Unmöglich, die Stadt zeitnah zu erreichen. Uns wird klar. Das Wasser wird nicht reichen. Wir oder das Auto. Etwa 30 Kilometer später dann das Unglaubliche. Ein Fluss inmitten dieses staubigen Nichts. Wir füllen unsere Tanks und Kanister mit Flußwasser und suchen uns einen Nachtplatz. Na ja, eigentlich bleiben wir irgendwann einfach nur stehen und legen uns schlafen. Am nächsten Morgen dann geht es wie gewohnt sehr holprig und im Schritttempo weiter. Und wieder ist uns das Glück hold. Nach 6 Stunden mit etwa 30 Kilometern taucht, wiederum aus dem Nichts, die Fortsetzung der Straße auf. Gut 120 Kilometer Piste mit geflicktem Kühlsystem liegen hinter uns.  Noch etwa 130 Kilometer vor uns. Wir erreichen Gobi-Altai und eine Werkstatt. Wir zeigen unser defektes Teil. Die Mechaniker beginnen mit Trennschleifer, Bohrmaschine und Schweißgerät ein Stück Metall zu bearbeiten und zack, nach zwei Stunden, haben sie das Bauteil nachgebaut. Vor uns liegt aber noch der Pamir und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Mit Flußwasser im Kühler keine gute Idee. Frostschutz für den Kühler? Und dann noch 13 Liter? Fehlanzeige. Aber wir wären nicht in der Mongolei, wenn nicht auch dieses Problem gelöst werden könnte. Nach einer Stunde taucht ein Taxi auf und liefert drei Kanister der ersehnten Flüssigkeit. Gerne zahlen wir die (natürlich für hiesige Verhältnisse deutlich überzogenen) 100 Dollar für die Reparatur und reisen weiter.

Über Chowd geht es in Richtung der mongolisch-russischen Grenze. Die Landschaft ändert sich. Bewegten wir uns bisher durchgängig auf Höhen zwischen 1000 und 2000 Metern, so überwinden wir nun teils spektakuläre Pässe von bis zu 2650 Metern. Wir nähern uns dem Altai, welches sich Rußland, China und die Mongolei teilen. Unsere letzte Nacht in der Mongolei verbringen wir, wie immer ausgesprochen einsam, an einem wunderschönen Hochgebirgssee. Wir sind erschöpft. Müde. Richtig erschöpft. Wirklich müde. Und glücklich. Wie geht das zusammen? All die Fotos und Videos können das erlebte nur im Ansatz wiedergeben. Die Bilder im Kopf sind ungleich intensiver. Wir sind unendlich zufrieden und dankbar, die Mongolei durchquert zu haben. Was für ein beeindruckendes Land. Vor uns liegt nun Teil 2 unserer Reise. Die Länder Zentralasiens. Doch zunächst liegt da wieder eine Grenze. Auf über 2000 Metern Höhe sturmumtost. Nach 7 aufreibenden Stunden Grenzformalitäten sind wir wieder in Rußland. Durchgefroren geht es weiter durch die grandiose Landschaft des Altai. Nächstes Ziel: Kasachstan.

 

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