Teil 2 unseres Reiseblogs. Der letzte Reisebericht endete in Moskau.
Ich sitze vor unserem Greenroverlandy einsam direkt am Strand des gewaltigen Baikalsees und versuche, die letzten 13 Tage in Worte zu fassen. Kein einfaches Unterfangen. Die Tage waren dermaßen intensiv, mit zahlreichen Höhen und Tiefen gespickt. Und vielen tausenden Kilometern.
In Moskau muss Benny einen Tag ohne uns auskommen. Marion und ich fahren mit der Tram und weiter mit der U-Bahn ins Herz von Moskau. Pflichtprogramm: der Rote Platz, der Kreml, das legendäre Kaufhaus GUM (unbedingt das Eis an einem der vielen Stände probieren!).Wir flanieren durch diese gewaltige Metropole, bevor es wieder zurück zu Benny geht.
Das erste größere Etappenziel wäre abgehakt. Das nächste ist der Baikalsee, noch etwa 6.000 Kilometer entfernt. Etwa 2.500 Kilometer waren es bis Moskau. Das gibt in etwa ein Gefühl für die grenzenlose Weite des Landes. Und fordert uns noch mehr Respekt ab. Das Fahren auf den endlosen Straßen, scheinbar ohne Verkehrsregeln und mit abenteuerlichen und häufig tödlich endenden Überholmanövern, hin und wieder die Durchfahrten durch überfüllte Städte mit teils katastrophalem Straßenzustand. All das schlaucht, macht unentspannt. Die Reise wird auch zu einer Bewährungsprobe für Mensch und Material. Von Tag zu Tag sind wir erschöpfter. Aber leider werden auch nur leichte Konzentrationsschwächen gleich mit höchst riskanten Situationen bestraft.
Von Moskau geht es zunächst nach Susdal mit seiner gewaltigen Festung und den weißen Häusern, einem Unesco-Weltkulturerbe. Auf Nebenstraßen fahren wir weiter gen Osten. Abends schlagen wir uns in die Büsche (danke an die Kochs von der Pistenkuh für den Tipp zu diesem genialen Nachtplatz).
Ca. 200 Kilometer östlich von Moskau treffen wir wieder auf die Hauptstraße. Und nochmals etliche Kilometer weiter treffen wir – immer noch unfassbar – Joey Kelly an einer Ampel. Hierzu gibt es bereits einen separaten Blogbeitrag. Wir übernachten meist an Awostojankas, LKW-Höfen, die allerdings so garnichts mit den uns bekannten an bundesdeutschen Autobahnen gemein haben. Nach etwa 1.700 weiteren Kilometern nähern wir uns kurz vor Jekaterinenburg der europäisch-asiatischen Grenze, einem Fotostop, auf welchen wir uns schon lange freuen. Wenn da nicht 20 Kilometer vorher unser Landy den Geist aufgeben würde. Auch die darauf folgenden zwei Tage, die uns alles abverlangen und uns doch mit unvorstellbaren Erlebnissen belohnen, habe ich im vorherigen Blogbeitrag bereits ausführlich dokumentiert. Nach erfolgter Reparatur fahren wir noch am selben Abend gegen 22:00 Uhr los: in eine für uns ungewöhnliche Richtung: nach Westen. Quer durch Jekaterinenburg, der immerhin viertgrößten Stadt Rußlands, fahren wir zurück zur europäisch-asiatischen Grenze. Soviel Zeit muss sein. Gleichzeitig können wir so testen, ob die Reparatur des Landys wirklich erfolgreich war. In Richtung Osten kommt nämlich ganz lange nichts… Wir schlafen ein paar Stunden am Straßenrand und machen am frühen Morgen ein paar Fotos an diesem für uns wichtigen Zwischenstopp.
Dann geht es weiter. Zahlreiche Baustellen kosten Zeit. Wir fallen trotz 12 bis 14 Stunden Fahrzeit pro Tag aus unserem Zeitplan. Sollen wir den Baikalsee weglassen? Würde uns viele Tausend Kilometer sparen. Nein, das ist keine Option. Ich bin gestresst. Mit Urlaub hat das Ganze echt nichts zu tun. Die Straßen sind stellenweise echt schlecht und die Russen verlieren hinterm Steuer jedweden Respekt vorm Leben. Erschwerend kommt hinzu, dass uns alle ein bis zwei Tage eine Stunde Zeit gestohlen wird. Wir durchqueren bis Irkutsk ganze 6 Zeitzonen und befinden uns dort auf Höhe von Singapur und Peking. Plötzlich ruckelt das Fahrzeug bei jeder Bodenwelle (also ständig) ganz fürchterlich. Wir vermuten ein Motor- oder Getriebeproblem oder einfach nur schlechten Sprit, bis wir merken, dass die eine Tonne schwere Wohnkabine lose auf der Ladefläche hüpft. Mir bleibt das Herz fast stehen. Nicht auszudenken, wenn die Kabine von der Ladefläche gesprungen wäre. Doch wieder haben wir Glück im Unglück. Zwar ist ein massiver Bolzen abgeschert und mit dem zugehörigen Spanner auf immer verloren. Aber mit Hilfe von mitgeführten Spanngurten lässt sich die Kabine provisorisch soweit fixieren, das wir weiterfahren können. Mal schauen, wie lange es hält. Die kleinen und größeren Probleme in den folgenden Tagen sorgen für die nötige Abwechslung zum häufig monotonen Fahren. Ein übler Steinschlag in der Windschutzscheibe bereitet neue Sorgen. Die Landschaft ist atemberaubend, die wenigen Dörfer und Städte häufig sehr armselig. Die großen Städte Sibiriens liegen auf unserem Weg, doch wir haben leider keine Zeit. So verlieren wir in den Städten Kazan, Omsk, Novosibirsk (sorry, Jan Schulte, und danke für das Angebot) und Krasnojarsk keine Zeit. Erst in Irkutsk, nach 8.300 Kilometern, gönnen wir uns einen halben Tag für eine Stadtbesichtigung.
Weiter geht es zu unserem großen Etappenziel, der Insel Olchon im Baikalsee. Wir fahren durch wunderbare Wälder nochmals etwa 200 Kilometer zum kleinen Fährhafen und setzen über zu dieser mystischen Insel, geprägt durch das Schamanentum der Burjaten, dem fehlen jeglicher Teerstraßen und unendlich einsamen Landschaften und Stränden. Unser Ziel is es, eine möglichst einsame Bucht zu finden. Und die finden wir auch. Und was für eine Bucht. Auch wenn der Weg hierhin sehr beschwerlich war; wir haben ein kleines Paradies gefunden. Benny genießt es, endlich wieder Auslauf zu haben und liebt das unendlich klare und saubere Wasser des Baikalsees, des größten Süßwasserreservois der Welt. Das Wasser des Sees hat Trinkwasserqualität. Nach Tagen mit heftigen Unwettern ist uns auch der Wettergott gnädig. Wir verbringen 1,5 Tage bei wolkenfreiem Himmel an diesem einzigartigen Ort. Schreiben, reparieren, putzen, genießen.
Morgen werden wir einen Tag die Insel erkunden. Danach brechen wir auf in die Mongolei. Trotz aller Strapazen und Belastungen: wir leben gerade einen langgehegten Traum. Bleibt uns gewogen. Eure positiven Grüße und Kommentare auf Facebook, Instagram, per email oder wie auch immer geben uns Mut und Kraft. Danke dafür!
Und zum Abschluss noch eine kleine Anekdote für die Skeptiker, die uns in ständiger Lebensgefahr sehen: wir haben diese Nacht an einem unendlich einsamen Ort weit weg von der nächsten Straße verbracht. Es ist unendlich still, nur die leichten Wellen des Baikals sind zu hören. Wir schlafen tief und fest, als mitten in der Nacht etwas am Auto wackelt und klopft. Geräusche wie Schritte und Stimmen. Alarmmodus: Tränengas und dicke Maglite liegen bereit. Wir hören hinein ins dunkle Nichts. Da. Wieder. Der stürmische Wind tut sein Übriges. Und dann: wir hören so etwas wie Flügelschlag. Und danach ist Ruhe. Am nächsten Morgen sehen wir einen riesigen Seeadler, der über uns seine Kreise zieht. In der Nacht hat er es sich offensichtlich auf unserer Motorhaube bequem gemacht. Wir müssen wohl doch noch etwas entspannter werden ;-).
Hallo, ihr beide!
Klasse, dass ihr euch getraut habt eine Reise mit dem Landy nach Zentralasien zu unternehmen. Aber allein die Beschreibung eurer Anfahrt bis Baikalsee wirkt auf uns ziemlich abschreckend:
Ihr wart am Roten Platz, habt dort aber wohl nur die Außenmauern des Kreml gesehen. Jedenfalls erwähnt ihr zwar die Eiscreme im Kaufhaus Gum, aber nicht die atemberaubenden Kathedralen auf dem Gelände des Kreml. Wir haben zudem einen Regentag allein damit verbracht die berühmten U-Bahnstationen Moskaus zu erkunden. Museen, Gorkij-Park, Nowodewitschi-Kloster …
Ihr habt Moskau als „erste Etappe abgehakt“, wie ihr schreibt, aber nicht wirklich gesehen. Was habt ihr von den anderen Etappen gesehen?
Susdal war für euch ein Zwischenstop. Kazan, Tomsk habt ihr ausgelassen.
Ihr hattet keine Zeit, musstet weiter und weiter, einem Traum nachjagen, der aber nur dann einer ist, wenn man Zeit dafür hat.
Ein Blick auf eure Route zeigt: auch von Georgien habt ihr kaum etwas gesehen.
Wir haben übrigens unseren Landy nach Dubai verschifft und von dort aus ausführlich den Oman, Iran, Armenien, Georgien bereist und für diese Reise 4 Monate gebraucht.
Außerdem hatten wir kurz überlegt mit unserem 110er Landy irgendwann nach Kasachstan, Mongolei, Kirgisistan, Usbekistan zu reisen. Aber nach unserer Rechnung geht unter 5-6 Monaten gar nichts – und schon da ist es eine elende Kilometerfresserei.
Allein die Beschreibung eurer Anfahrt zum Beginn eurer „eigentlichen“ Reise bestärkt uns darin, dass unsere Kalkulation richtig war.
Den Baikalsee schauen wir uns folglich lieber anlässlich einer Transsib-Reise an und mieten uns in Irkutsk einen Lada Niva. Zur richtigen Jahreszeit soll es in der Nähe sehr viele Wildblumen geben. Selbstverständlich werden Zwischenaufenthalte in Kazan und Tomsk eingebaut.
Auch zum Goldenen Ring wollen wir wieder reisen, zB im Frühsommer, wenn in den Gärten die Blumen blühen. Oder im Winter, wenn die Gegend wie ein Wintermärchen aussieht.
Die Mongolei bleibt ein Ziel fürs nächste Leben.
Und für ein anderes Auto.
Denn auch das ist ein Thema: so ein Landrover Defender ist robust und zuverlässig, aber nur, wenn man ihn nicht überlädt.
Inzwischen habe ich in eurem Blog weiter geschmökert.
Vorher hatte ich geschrieben: „Ein Blick auf eure Route zeigt: auch von Georgien habt ihr kaum etwas gesehen.“ – aber das stand offenbar nur im ursprünglichen Plan, den ihr aufgeben musstet.
Tatsächlich habt ihr euer bis an die Belastungsgrenze beladenes Auto so gnadenlos über die Pisten geprügelt, dass ihr nicht annähernd geschafft habt, was ihr euch vorgenommen habt. Werdet ihr euren Landy überhaupt noch durch den TÜV bringen, oder ist er schrottreif? – Ihr hättet damit noch so schöne Reisen machen können. Sehr schade.
Ich habe in einem Landy-Forum einmal den sehr interessanten Eintrag eines erfahrenen Users gelesen:
Er hat erzählt, dass er in Russland so manchen Geländewagen gesehen habe, der unter der Last schwerer Ein- und Aufbauten zusammengebrochen sei. Er empfahl den Landy mit so wenig Extras wie möglich auszustatten, den Wagen damit so leicht wie nur irgend möglich zu halten und das viele Geld statt fürs extra starke Fahrwerk lieber für die Reise mit einem leichten Fahrzeug auszugeben.
Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum wir eine solche Reise mit dem Defender nicht machen werden:
ich glaube nicht, dass wir leidensfähig genug wären auf einer solchen Reise ohne Rückzugsort auszukommen und selbst bei klimatischen und anderen Widrigkeiten zu zelten. Aber schwere Einbauten, die den Wagen bis aufs Äußerste belasten, wären u.M.n. für solche Strecken viel zu riskant.
Den Landy verkaufen und stattdessen zB einen Iveco kaufen käme auch nicht infrage, weil wir unseren Landy ins Herz geschlossen haben. So beschränken wir uns auf Reisen, auf denen man spannende Strecken fahren, aber bei Bedarf (Kälte, schwere Regenfälle) günstige Unterkünfte finden kann. Das Spektrum an Möglichkeiten reicht damit immerhin von Island und Schottland bis nach Georgien und Iran.
Hätten wir einen fabrikneuen oder komplett überholten Wagen, würden wir ihn übrigens nach Australien verschiffen. Leider sind die Hürden der australischen Quarantäne-Inspektion derartig hoch, dass man es mit einem Fahrzeug, das schon einiges erlebt hat, vergessen kann.
Aber vielleicht wäre das ja was für euch, falls ihr euch irgendwann ein neues oder komplett überholtes und damit bis in die Hohlräume und bis hinter die Armaturen von Staub, Erde und Insekten befreites Fahrzeug kauft.
Das Gute dabei: man braucht bei einem solchen Klima keine schweren Auf- und Ausbauten, kann aber auch in Australien viel Einsamkeit, Wildnis und tolle Landschaften erleben.
Viele Grüße
Mein Gott, Ingrid. Jeder legt seine Prioritäten anders. Ich würde auch nicht durch irgendwelche Kathedralen jachtern…
Moskau ist so nahe, da ist man schnell wieder hin. Nur vielleicht nicht gerade jetzt.
Da habt ihr komisch gerechnet, bei mir ging das alles. Aber nach 3 Wochen in einem Land muss ich eh weiter. Andere Prioritäten:-)
Tolle Berichte. Wir kommen aus Rommerskirchen bei Düsseldorf und würden Euch gerne mal treffen weil wir eine ähnliche Reise gerade planen.
Gerne. Wir werden Ende Oktober wieder in der Heimat sein.
Herrlich … – und ich bin ein wenig neidisch auf Euch, wie Ihr Euren Traum gerade lebt. Ja, es sind (natürlich) viele Hindernisse zu überwinden. Es werden garantiert auch noch welche kommen (auch wenn ich die Daumen drücke, dass sie nicht so teuer werden). Aber genau DAS macht es ja aus, das Abenteuer.
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Abenteuer(erzählungen) leben von Erlebnissen, die man einfach nicht vorhersehen konnte und kann – und Ihr werdet bestimmt Monate und Jahre davon zehren können. Ihr wisst, dass Ihr nicht nur diesen Traum hattet, sondern vor allem den Mut, ihn auch in die Wirklichkeit umzusetzen. Meinen größten Respekt dafür !
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Ich find’s toll von Euch, dass wir Euch begleiten dürfen und auf diese Weise einen kleinen Hauch dessen mitfühlen können, was Ihr den ganzen Tag und die ganze Reise erlebt.
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Bin gespannt, wie es weiter geht – und drück‘ Euch weiterhin auch die Daumen für Eure Weiterreise. Genießt es !!