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Tag 5 von Going East: knapp 2.600 Kilometer durch Deutschland, Polen, Litauen und Lettland nach Rußland und weiter bis nach Moskau. So langsam beginnen wir zu ahnen, was auf uns zukommt. 2.600 Kilometer bedeutet auch gut 40 Stunden hinterm Steuer, Und schaut man auf die Karte, so ist es noch verdammt weit bis zur Perle Sibiriens, dem Baikalsee. Vor uns liegen unendlich lange Etappen von 12-15 Stunden am Tag durch die meist eintönigen Weiten Sibiriens. Doch zunächst einmal geht es morgen zum Sightseeing in die Metropole Moskau.

Wie ist es uns bis hierher ergangen? Nach einem kurzen Telefoninterview  mit Radio Ennepe-Ruhr und dem etwas tränenlastigen Abschied am Freitag morgen von unserer Familie und den Nachbarn starteten wir (fast) pünktlich um 08:00 Uhr morgens das Triebwerk des Landys und fuhren bis in den Osten Brandenburgs. Abends fanden wir einen schönen Platz zum Übernachten am Storkow-Kanal. Die letzten Tage vor der Abreise waren wirklich nicht ohne, sodass wir schon früh in Tiefschlaf verfielen. Am nächsten Morgen noch eine kleine Runde mit Benny und plumps… Benny, die Wasserratte, hatte nicht bedacht, dass der Kanal verdammt tief ist und er nicht tauchen kann. Ein Bild für die Götter 😄. Und wir haben ein pitschnasses Wollknäuel auf der Rücksitzbank.

Schon wenig später überqueren wir unsere erste Grenze und durchqueren Polen. Nach einer kurzen Nacht an einem schönen See geht es am nächsten Morgen weiter durch Litauen nach Lettland. Hier finden wir 150 Kilometer vor der Grenze nach Russland einen traumhaften Übernachtungsplatz in völliger Einsamkeit inmitten einer Seenplatte. Und dann, am Tag 4 unserer Reise, beginnt das Abenteuer Rußland.

Doch langsam: zunächst einmal müssen wir die EU verlassen. Dauert knapp eine Stunde mit verschiedensten Kontrollen, die auf einer „Laufkarte“ einzeln abgestempelt werden. Wenige Meter weiter dann das Prozedere zur Einreise nach Rußland. Ich glaube, ich widme jeder Grenze ein eigenes Kapitel in einem Buch. Unsere Erlebnisse der nächsten Stunden hier in diesem Artikel zu schildern würde jedenfalls den Rahmen sprengen. Ein Abenteuer ganz besonderer Art. Zum ersten Mal nach fast 30 Jahren spürte ich das dringende Verlangen nach einer Zigarette. Ok, ein Whisky wäre auch gegangen. Aber eines muss man deutlich sagen: trotz allem Bürokratismus sind die Grenzbeamtinnen und -beamten überaus korrekt und gewissenhaft. Nun ja, wir sind also drin im riesengroßen Zarenreich und begeben uns auf die gut 600 Kilometer nach Moskau. Zunächst aber tanken wir 120 Liter russischen Diesel. Die schlechte Nachricht: Diesel ist hier teurer als Benzin. Die gute aber: mit etwa 65 €-Cent ist er immer noch halb so teuer wie bei uns. In der kleinen Tankstelle schließe ich noch eine russische Fahrzeugversicherung ab und kaufe eine russische SIM-Karte. Keine Ahnung, was ich da mit meinen 9 Unterschriften auf kyrillisch beschriftetem Papier alles gekauft habe 🤔. Aber es wird schon passen 😇.

Etwa 30 Kilometer hinter der Grenze dann der nächste Adrenalinschub: mitten in einer Baustelle verzögert der Landy plötzlich stark und ein herzzerreißendes Quietschen aus dem Bereich des Motorraumes lässt uns erstarren. Rechts ran durch das frische und noch teilflüssige Teer-Schotter-Gemisch. Zum ersten Mal auf dieser Reise liege ich am Straßenrand unter dem Landy und suche das Problem. Es regnet. Währenddessen rasen die Sattelzüge an uns vorbei und beschmeißen mich mit frischem Teer, Regengischt und Schotter. Na prima. Und wie lautet die Auflösung: offensichtlich haben sich einige extrem scharfkantige und klebrige kleine Schottersteine zwischen Bremsscheiben und -beläge gequetscht. Ein wenig Anfahren, Bremsen, Vor und Zurück… und alles war wieder gut. Wahrlich, dieser Tag hat  nun genug Nerven gekostet. Knapp 400 Kilometer vor Moskau übernachten wir direkt an der Schnellstraße auf einem LKW-Parkplatz direkt neben einem Schrottplatz. Für dezente 150 Rubel (etwa 2,10 €) verbringen wir eine durchwachsene Nacht. Als der russische Uraltlaster neben uns um halb 6 morgens seine Maschine startet, ersticken wir fast in unserem Alkoven. Mein Tipp: um den irrationalen Klimaaktivisten um Greta Thunberg einmal die Realität im Rest der Welt vor Augen zu führen, einfach mal per Anhalter im Fernverkehr reisen. Aber was rede ich da, so ganz ohne Ahnung. Also lassen wir das.

Letztlich erreichen wir den Solkoniki-Park im Norden von Moskau, unserem Stützpunkt für die nächsten zwei Nächte. Aber nicht, ohne uns durch den grauenvollen Verkehr einer 12-Millionen-Einwohner-Metropole mit kyrillischen Verkehrsschildern und verstopften 5- und 6-spurigen Straßen zu quälen. Wobei die Spuren eh nur als Empfehlungen angesehen werden dürfen. What a Thrill!

Wie geht‘s nun weiter: morgen geht es mit der U-Bahn kurz nach Moskau. Wenigstens einmal auf dem Roten Platz stehen. Und dann machen wir uns auf über den goldenen Ring nach Vladimir und Susdal. Und dann heißt es nochmal knapp 6.000 Kilometer fast kerzengerade über den Ural durch Sibirien zum Baikalsee.

Ein Hinweis zu unserem Reisetracking bei FindPenguins. Ich habe die Reise von „Öffentlich“ auf „Follower“ geändert. Der Hintergrund ist, dass ansonsten jeder, also wirklich jeder 🙄🤢, unseren aktuellen Standort im Internet sehen kann. Ist bei dem einen oder anderen Nachtplatz vielleicht nicht ganz so ratsam. Wer also folgen möchte, muss sich bei FindPenguins anmelden und eine Anfrage an uns starten.

So, nun gibt es einen guten Rotwein aus unserem reichen Geschenkefundus der Abschiedsparty. Liebe Grüße in die Heimat senden Benny, Marion und Frank.

 

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